Schlüter Dritter
Theil
1801 –
1884
Ein Bettler saß an eines
Heerwegs Rande,
Wo Menschen stolz vorbei die
Straße führt’,
Gelähmt und blind; doch Gottes
Geist entführt’
Die Seel’ ihm, zu vergessen
Noth und Schande.
Sein Geist erwacht im sel’gen
Geisterlande,
Wo des Dreiein’gen Thron die
Himmel ziert,
Der ewig sich aus eig’nem Grund
gebiert,
Und ringsum sieht er Engel
vielerhande.
Er sieht, wie alle Zeit dort
ebb’t und mündet
Im Ocean des seins, wo Gottes
Schooß
Jahrtausende, wie Bächlein
klein, entquillen.
Und dort bei Gott verklärt er
wiederfindet
Sich und sein kleines, kurzes
Erdenloos,
Und preist den Herrn, ergeben
seinem Willen.
Seh’ ich auf’s Labyrinth
vergang’ner Jahre,
Des Irrgewind’s seltsam
verschlungne Krümmen,
Scheint drob ein höh’res Licht
mir zu entglimmen,
Daß überall dort Führung ich
gewahre.
Ob Lust, ob Schmerz die bange
Seel’ erfahre
Beim Niedersteigen oder beim
Erklimmen
Des rauhen Felsensteigs, o
leise Stimmen
Bejahn: Gott führt uns, von der
Wieg’ zur Bahre.
Hoch ob dem engen kleinen
Demantring,
Der unser Sein umgrenzt und
Schicksal heißet
Nach Menschenart, ein heilig
Auge steht,
Und ob dem Aug’ ein Herz. O
Seele schwing’
Zur Lieb’ dich auf, so dir dein
Herz verheißet,
An’s Vaterherz, das ewig nicht
vergeht.
Folgt’ ich mir selbst, konnt’
ich nichts vorwärts bringen;
Herrlich gelang’s, folgt’ ich
dem höhern Zug:
So ist in mir denn Täuschung
nur und Trug,
Und nur im Herrn liegt
jegliches Gelingen.
Auf denn, im ew’gen Quell uns
zu verjüngen
Der heil’gen Lieb’ und
Weisheit, welche klug
Das Weltall ordnet; Rath’s hat
sie genug,
Die lieblich herrscht und tief
in allen Dingen.
Nicht fährlich ist’s, folgt man
nur ihrer Stimme,
Die weise sorgt, durch Höhen,
Mitt’ und Tiefen,
In Gegensatz und Mitte herrlich
strahlt,
Sanft Leben ausführt aus des
Todes Grimme,
Lichtgeister löset, so in
Zornnacht schlieen,
Und Aller Herzen sanft entgegenwallt.
Nicht der Lerche gleich auf
niedern Auen
Birg dein Nest, nein, gleich
dem Wolkensohne
Bau’ es hoch am Fuß von Gottes
Throne,
Ew’gen Lichtes Ausfluß stets zu
schauen.
Mag gleich Segen dort auch
niederthauen,
Sieht der Aar doch drauf herab
mit Hohne;
Denk’ nicht, daß das Unglück
dich verschone,
Schwingst du dich nicht auf ob
Nacht und Grauen.
O wie stille weilt sich’s an
der Pforte
Leichter, lichter, sel’ger
Ewigkeit;
Hochentrückt der Sturmnacht
dieser Zeit,
Wo kein Blatt im Friedenskranz
verdorrte,
Wo, dem Ein’gen, Höchsten nur
geweiht,
Unser Wort nur lebt dem ew’gen
Worte!
Zum Berge Carmel steigt so
leicht sich’s nicht;
Durch dunkle Nacht des Glaubens
führt der Pfad,
Den noch kein Feigling je
betreten hat,
Steil, rauh und dornenvoll,
durch Feu’r zum Licht.
Eh’ noch die heil’ge
Liebesflamme bricht
Durch Rauch und Qualm, bedarf’s
entschloss’ner That
Zum Sieg; hier schafft’s der
ew’gen Weisheit Rath,
Und heil’ge Gnade, wenn der
Kämpfer siegt.
Durch Gluth geläutert nur
glänzt rein das Gold.
Wer andern Wegs nach jenen
Hütten strebt,
Wo Fried’ und Seligkeit für
immer wohnen:
O Staub und Spreu nur wird des
Thoren Sold!
Ihm Himmelslust nie tief die
Brust durchbebt;
Nur Lieb’ in Leid will Liebe
labend lohnen.
Hier ruht des Adlers heil’ge,
leichte Hülle,
Der steilrecht in die
Himmelslüfte drang,
Sich tausendmal zum Quell des
Urlichts schwang,
Bald jubelnd laut, bald feiernd
stumm und stille.
Ihm Loosung war: Geschehe
Gottes Wille,
Erlöse uns von unsers Willens
Zwang,
Befrei’ uns Liebe, fleht’ er
Nächte lang
Mit heißen Seufzern, mit der
Thränen Fülle.
Nur diesen Stein, dies Kreuz
hat er erworben
Ob seinem Staub auf grünem
Rasenhügel,
Der stark verschmähte Welt und
Sündenreiz.
Er, der im Leben tausendmal
gestorben
Der Heil’gen Tod auf der
Verzückung Flügel,
Sein Denkmal ist das
herrlichste, das Kreuz.
Wir jagen Schatten, die wir
nicht erreichen,
Wir häufen Spreu, die bald
zerstreut der Wind;
Schlechtaufgebaut die starken
Burgen sind:
Die Mauern bald im Flug der
Jahre weichen.
Nie rastend prägt
Vergänglichkeit ihr Zeichen
Auf Neues, ehe noch viel Sand
verrinnt;
Den Kindern gleich sind Alle
wir gesinnt,
Die langend nach dem Regenbogen
reichen.
Wer kennt den Schatz, der
unvergänglich ist,
Die Burg der Zuflucht, die, wer
fest vertraut,
Bis an das Ende sicher schützen
wird?
Vergebens Reichthum, Kunst,
Verstand und List!
Es stürzt der Bau. „Hoch stehn
und fest gebaut
Die Mauern, welche Armuth
aufgeführt.“
Sprich: Heil mir, daß ich eng’
und dürftig wohne;
Denn edle Armuth trägt der
Gnade Siegel,
Sie schafft dem Geiste frische,
freie Flügel
Und trägt des Himmels
Freundesblick zum Lohne.
O sieh’ in Pracht die
Frühlingsanemone
In reinem Perlenthau auf dürrem
Hügel,
Ihr tiefes Blau, der
Himmelsbläue Spiegel,
Schön, einer Fürstin gleich auf
goldnem Throne!
Nicht also schön würd’ ihre
Jugend blühen
In fettem Thal, an Seees
üpp’gem Strande,
Wo Wirbelstaub der Wege sie
verletzte,
Der Fischer Fuß sie im
Vorüberfliehen
Achtlos zerträt’ im
Liliengewande,
Und Keins die Reize ihrer
Unschuld schätzte.
Wenn er die Schäfchen scheert,
sagt man, so sendet
Er linde Luft und sonnigwarmen
Tag,
Der das geknickte Rohr nie
vollends brach,
Vom Dochte, der noch glimmt, Verlöschen
wendet:
Er ist’s, der Freude den
Geschaffnen spendet,
Den Stolz zerschlägt, und hebt,
was klein und schwach;
Er schenkt den Finken hellen
muntren Schlag,
Die grausam roher Menschen Hand
geblendet.
Er kann, hat er den
Lichtkrystall getrübt,
Drin Erd’ und Himmel und der
Wesen Schaar
Im Glanz des äußern Tages klar
sich spiegeln,
Zum lichten Demant, so es ihn
geliebt,
Den dunklen Fels des Herzens
wandeln gar,
Das Träge selbst zum
Himmelsflug beflügeln.
Ach Herz, wie triebst du in des
Lebens Kahn,
Von wechselwinden, irrem Zug
der Wogen
Bald hier, bald dort hin zu dem
Strand gezogen,
Wo Blumen winken von der
rechten Bahn:
Eh’ noch die Augen jenen Stern
ersahn
Am ew’gen tiefazurnen
Himmelsbogen,
Der keinem Fährmann Hoffnung je
gelogen,
Und Rettung glänzt aus irrem,
wirrem Wahn!
Ein Goldpokal, leer heil’gen
Safts der Traube,
Erglänzt du; nur eitlem
Schimmer zeigte
Dein Fühlen all’, bis heil’ger
Gottesglaube
Vom Himmel dich erfüllt. Gen
Norden neigte
Sich deine Nadel, die gleich
Wetterfahnen
Bis jetzt geschwankt, mit
heilig ernstem Mahnen.
Und weißt du auch, o Herz,
wonach du langest,
Wenn jugendlich die frische
innre Sehe
Dein Wille spannt und richtet
ihn zur Höhe,
Daß nicht in dunkler Nacht du
länger bangest?
Es ist das List, wonach du ewig
rangest
Vergebens in der Sehnsucht
herbem Wehe;
Der ew’gen Schönheit
Sabbathruh’ und Nähe,
Bis sie dir rief, daß kühn du
sie umfangest.
Verleugne dich: in Demuth dich
verneinend,
Bejaht dich Gott, schaust du im
heil’gen Spiegel,
Was wahr, was heilig, selig,
ewig lebt;
Dreiein’gem Abglanz selig dich
vereinend,
Umschattet von der ew’gen
Schönheit Flügel,
Dein Wunsch nach anderm Gute
nie mehr strebt.
Gott liebt, so scheint’s, auf
dunklem Grund zu malen
Nach edler Künstler altem Fug und
Sitten:
Sein Bogen glänzt auf dunklen
Wolken, mitten
Aus Todesnacht läßt er die
Glorie strahlen.
Mit innrem Tag’ mag äußre Nacht
er zahlen,
Viel gibt er dem, so gern und
viel gelitten;
Sanft kühlt er den, der heiß
für ihn gestritten,
Hebt Niedriges und macht die
Berg’ zu Thalen.
Was irdisch groß, ihm ist’s
gleich leeren Schalen,
Kühn mag ihm nahn, was schwach
und klein, mit Bitten;
Die Tugend in der harten Armuth
Hütten
Glänzt schön vor ihm, mehr denn
des Cherubs Strahlen;
Was sich gehärmt in lebenswier’gen
Qualen,
Mit lichter Wonn’ wird einst
er’s überschütten.
Sprich, Seele, wann der Tag dir
angebrochen;
War’s, als zuerst du sahst des
Tages Licht?
Wohl schwerlich glaub’ ich’s;
auch selbst dann wohl nicht,
Als du zuerst das Wörtlein „ich“
gesprochen.
Halb erst erwacht mit freud’gem
Herzenspochen
Warst du, als von geliebtem
Angesicht,
Wie Morgensonnenstrahl durch
Wolken bricht,
Dir Mutterlieb’ des Herzens
Nacht durchbrochen.
Nein, ganz erwacht zur sel’gen
Tageswonne
Warst du in dem Moment, wo über
dir,
Abbild im Urbild, selig du dich
schautest,
In dich hernieder sah die ew’ge
Sonne
Der Geisterwelt, und Aug’ in
Auge ihr
Du blicktest und unendlich ihr
vertrautest.
Du wähnst, der Mensch hab’
völlig sich gefunden,
Spricht er: „ich bin“; zur
Insel nur gemacht
Hat ersich erst, so er dies
Wort gesagt;
Einsame Pein nur schlägt ihm
tiefe Wunden.
Erst wenn auf’s Neu’ sich
selber er entschwunden,
Indem sein ew’ges „du“
hernieder tagt
Mit Licht und Liebesstrahl in
seine Nacht,
Mag er beglückt sein wahres
Sein erkunden.
Im Andern lebt die Lieb’; in
sich nur arm,
Weiß Leben, Licht und alles
Reichthums Fülle
Sie nur in ihm, in sich nur
dunkle Pein.
In des Geliebten Näh’ nur licht
und warm
Fühlt sie lebendig sich
entzückt und stille,
Mag nur ein Schmuck in seinem
Kranze sein.
Ich sah die Welt mit äußerm
Sinn’; Entzücken
Durchfloß mich ob dem Wunder,
das ich sah;
Macht, weisheit, Güte, was
ringsher geschah
Und ward, verkündete sich
meinen Blicken.
Doch seit dem äußern Tag ich wandt’
den Rücken
Nach höh’rem Schluß, wie anders
trat mir nah’
Das Weltgemüth: im ew’gen
Spiegel, ha,
Wie sah ich andre Schrift und
Lettern zücken!
Wie Mondnacht vor des Tages
Glanz erblaßt,
Erbleichen macht der Sterne
lichte Schaar
Die heil’ge Königin, wenn sie
erstehet
Und steigt und siegt in
Herrlichkeit: so fast
Der Sinne Dämmrung vor dem Tage
klar
Der Geistersonne, die nie
untergehet.
Sind’s Ideale, die zerrinnen
können?
Die, schwindend vor dem Strahl
der Wirklichkeit,
Vernunft, erfahrung, Nebeln
gleich zerstreut?
Von reif’rem Sinn’sich
unerbittlich trennen?
O Thoren dann, dem Scheine nach
zu rennen,
Deß Glanz nur Knaben täuscht
und doch erfreut,
Der Quellen lügend, leeren
Schein nur beut:
Magst bess’ren Fuges sie Phantasmen
nennen.
O du, des Lebens heilig Ideal,
Kraft, Hoheit, Liebe,
Reichthum, Lichtesstrahl
Und warme Wirklichkeit: in
Todesqual
Hast du dein selig Leben uns
gegeben!
Fleug nicht von uns, wir flehn,
laß unser Leben.
Nicht liebeleer, gleich
nicht’gem Traum entschweben.
Gleich einer heil’gen Schönheit
hinter Gittern
Birgt sie der Unschuld süße
Jugendblüthe;
Dort strahlt sie sicher, wie
der Sturm auch wüthe,
Das Eisenwerk schützt sie vor
Urgewittern:
So meine Liebe hinter schwarzen
Littern
Der rohen Schrift, ein Abglanz
ew’ger Güte,
Sanft leuchtet aus bewegtestem
Gemüthe
Ihr milder Strahl mit süßem
Wonnezittern.
Das Eisen magst du schmähn,
dran bechen, beugen;
Doch der Gefang’nen wirst du
nimmer schaden,
Noch ihre zarte Himmelshuld
verletzen
Durch rohes Wort und Hauch; nur
einen Zeugen
Hegt drinnen sie der hohen
Himmelsgnaden,
Darin sie froh sich ewig mag
ergötzen.
Laß nicht Erdenlust die Wonne
kränken,
Wenn den Himmelsbecher du
gefunden,
Der gekostet heilet alle
Wunden,
Werth, die ganze seele drein zu
senken.
Wird er selig dich mit Kräften
tränken
Jener Welt, bist du dem Herrn
verbunden,
Spähe nicht noch Freuden zu
erkunden
Außer ihm: er sei dein Dichten,
Denken.
Mischt auch Wasser in den
feur’gen Becher
Lautern, goldnen Wein’s, der
perlend funkelt,
Der verständige, erfahrne
Zecher?
Meide, was den innern Tag
umdunkelt,
Sei vom süßen Trank, was herb’,
geschieden,
Störe nicht den tiefen
Gottesfrieden!
Bitter ist im Lenz des Baumes
Rinde,
Herb’ der Saft in seinem Aufwärtssteigen
Zu den Blättern in der Krone
Zweigen,
Herb’ die Knospe selbst im
Frühlingswinde.
Und doch lösen, laue Lüfte
linde
Leis’ ihr zartes Netzt, wie
herrlich zeigen
Leuchtend, duftend, wie im
Festesreigen,
Blüthen sich und Früchte so
geschwinde.
Seel’, und ist gleich bitter
rings das Leben,
Herb’ in dir selbst oftmals die
Empfindung,
Traure nicht zu sehr in deiner
Jugend,
Sonn’ und Wolk’ und Himmelswind
wird geben
Dir der Blüthe Pracht, der
Früchte Ründung,
Wachsthum, Reife, Geist und
stille Tugend.
Wie das Meer nach
Ungewitterwinden
Mälig sich beschwichtigt, bis
mit Hügeln,
Bäum’ und Blumen sich die Ufer
spiegeln
Klar in ihm, deß Grund nicht zu
ergründen;
Wie in ihm, wenn Tageslichter
schwinden,
Ew’ge Sterne an geheimen Zügeln
Hochgeführt am liebsten sich
entsiegeln,
Fern von wo die Ströme rastlos
münden:
O so mache, wie der Sturm
vorüber,
Wo am fernsten dir der Weltlust
Wehen,
Dich zum Spiegel ewiger Ideen.
Ohne sie stets nachtet’s trüb’
und trüber,
Seel’, um dich; du mußt in dir
vergehen,
Dich verzehret ird’scher Sorgen
Fieber.
Um Sterne kreisen Stern’; in
Licht und Nacht
Geschieden ist das All: doch um
den Einen
Sich kreisend ewig die Gestirne
einen,
So auch die Geister, Zeugen
seiner Macht.
Und ist’s, als ob im Menschen
erst erwacht
der Schöpfung Aug’; im frohen
Selbsterscheinen
Bejaht er seinen Herrn; die ihn
verneinen,
Sind aus der Nacht nie an das
Licht gebracht.
In Schwarz und Weiß ist
Geisterwelt geschieden,
Nach Bös und Gut, nach Haß und
lichtem Lieben;
Doch Alles steht zum Wunder
seiner Macht.
Wer gott- und liebelos, kennt
nicht den Frieden;
Sein Nam’ ist schwarz im
Lebensbuch geschrieben,
Doch der Gerechten weiß in
Schneeespracht.
O hohes Wunder, heil’ge
Alchemei
Der ew’gen Lieb: in stiller
Demuth Thal
Erglänzt göttlicher Hoheit
Liebesstrahl
Und macht der Blumen
Blüthenaugen frei,
Daß ihre Blüth’ ein Kind des
Lichtes sei
Aus Tod und Nacht durch freie
Liebeswahl,
Geliebtes sich im Liebenden
zumal
Erkenn’ und liebe, ewig jung
und neu!
Entäußernd sich des edlern,
bessern Theiles
Von seinem wesen, es an den
verlierend,
Der das Geschöpf zuvor geliebt,
erst findet
Froh das Geschöpf die Quelle
seines Heiles,
Des Abbild’s Strahl in Urbild’s
Spiegel führend,
Wenn’s sich in Gott und Gott in
sich ergründet.
Da nur mein Herz in deinem
Herzen lebt,
Magst Freuden senden oder
Schmerz und Leiden,
Magst gern von mir und von der
Welt mich scheiden,
Obgleich mein Herz vor innrer
Angst erbebt.
Befreit und jubelnd oftmals
selig strebt
Entfesselt es zu dir und deinen
Freuden;
Selbst unbewußt weilt es bei
dir; dich meiden
Nur mag es nicht, das stets nur
dich umschwebt.
O näher, denn ich selbst mir
selbst, bist du
Stets meinem Leben, tief im
innern Herzen
Bist du des Herzens Herz; drum
scheide immer
Von sich die Seel’ und bringe
sie zur Ruh’;
Sie bleibt bei sich, trennt sie
von dir sich nimmer;
Leicht ist es so, sein Leben zu
verscherzen.
Aus hartem Stein ward scharf
mein Geist geschliffen;
Nachdem die welt und ich mich
selbst bethört,
Hat Gott erbarmungsvoll mich
selbst gelehrt,
Hart und doch mild, und dies
hab’ ich begriffen:
Willst du, o Mensch, den Ocean
durchschiffen
Des stürm’schen Lebens, ganz
und unversehrt,
So üb’ Entsagung, bleibe
unbeschwert;
Ein Stern nur schützt vor Klippen
dich und Riffen.
Nicht ist er fern, in deinem
Herzen spiegelt
Sich hell sein Glanz, und halb
nur ist die Freude,
Ohn’ ihn genossen, nur ein
trüber Schein.
Doch hat sein Friede still dein
Herz besiegelt,
Bist du dir gleich in Wonne,
wie in Leide,
Wohl elend oftmals, aber nicht
allein.
An einem Quell nur kann ich
mich erlaben,
Durch meinen Schild dringt nur
ein Goldgeschoß;
Was rings man nennt erhaben,
schön und groß,
Scheint klein wie Ysop mir und
schwarz wie Raben.
O ew’ges Licht, nur du lehrst
uns die Gaben
Recht schätzen, die du warfst
in unsern Schooß;
Nur dein Besitz dünkt mich ein
reiches Loos,
Und was ich hab’, will ich
durch dich nur haben.
Beglückt das Herz vom
Flammenpfeil durchbohrt,
Gesendet hoch herab von
heil’gem Bogen:
O sel’ger Schmerz, dem jede
Wollust weicht!
O Menschen, welches Ziel ihr
auch erkort,
Von ihm durch Freud’ und
Schmerzen angezogen,
Kennt ihr ihn nicht, habt ihr
noch nichts erreicht.
Ich habe viel gesehn, gehört,
gelesen,
Gedacht, erfahren, viel ist mir
geschehn.
Und scheiden lernt’ ich, Eines
zu verschmähn,
Das Andre wählend, Gutes von
dem Bösen.
Und half der Geist mir mein
chaotisch Wesen
Zu sondern, hergesandt aus
heil’gen Höhn,
Schied er vom Dunkel ewig klar
und schön
Das Licht, drin die Lebendigen
genesen.
Hilf ferner mir, viel kannst du
von mir fodern,
Daß ich besteh’, wenn einst die
Flammen lodern
Des weltgerichts, wenn
aufstehn, die da modern.
Laß mich, was du begannst in
mir, vollenden,
Wie mir gegeben ward, auch
Andern spenden,
Nicht von der Höh’ zum Pfad im
Staub’ mich wenden!
Auch unser Thun gesammt, wer
möcht’ es loben,
So hochgeadelt, glänzend es
auch schien;
Ein Knecht des Staub’s, im
Staube kriecht es hin,
Hebt sich davon kein Opferduft
nach oben.
Groß nennt die Welt wohl Manches,
doch erproben
Der Sache Kern genauer wir und
kühn,
Wird es wie Nebelrauch der Hand
entfliehn,
Die nach ihm greift: so nichtig
ist’s gewoben.
Nur in Gebetes Opferguthen
adelt
Sich Jegliches, und dauernden
Gehalt
Gewinnt, was nichtig sonst der
Strom verschwemmt;
Sei’s halb mit Recht gelobt
auch und getadelt,
In jener Flamm’ erhält es die
Gestalt
Der Ewigkeit, wo nichts die
Rückkehr hemmt.
Vom Süd zum Nord, vom Norden
her zum Süden
Zieht manch Gewölk, bald grau
bald gold bestreift;
Bald leuchtend, bald verhüllt
die Sonne läuft
Von Ost zum west und kennt
nicht Rast noch Frieden.
Und hat am Tag sie das Gewölk
gemieden
Und duklen Nebel, der von Regen
träuft,
Der Abend naht und dunkle Nacht
ergreift
Ihr Gluthgespann; so weilet
Nichts hienieden.
Nur du, der Sonne Herr, der
Wolk’ und Winde
Erschuf und lenkt, der leid und
Freuden spendet,
Wie Tag und Nacht, du leuchtest
immerfort.
O, daß im Wachen, wie im Traum,
dich finde
Mein Herz, sein Gnügen sei in
dir vollendet,
Du heil’ge Lichtgestalt, an jedem
Ort.
Wie gestern, heut’ und stets
währt seine Güte,
Wird ohne End’ sein treues
Lieben sein;
Was sollten wir nicht unser
Herz ihm weihn,
Anhangend ihm, mit freiestem
Gemüthe?
In seinem Licht entsprießt die
heil’ge Blüthe
Des höhern Seelenlebens: Angst
und Pein
Fast überall, entfernt von
seinem Schein,
Das Innre bald, auf daß sein
Heil es hüte.
Ihm hingegeben, der Nichts ist,
als Güte
Und grenzenlose Lieb’ und ew’ge
Treue,
Gelangt aus Kerkernacht in
Tagesfreie
Das Herz, das sonst vergebens viel
sich mühte.
Leicht, heiter, fröhlich wird
und stark sein Leben,
Der sich mit Kindessinn ganz
hingegeben.
Dein Wort erklang gleich
feurigen Accorden,
Herzschmelzend quoll’s aus
tiefstem Herzensgrunde,
Wie Milch und Honig tönt es dir
vom Munde,
So summt die Bien’ an duft’ger
Rose Borden.
Es sprach vom Werden deß, der
ganz entworden,
Von ew’gen Dingen bringend süße
Kunde;
So spricht, so blickt nur, wer,
die Liebeswunde
Im Herzen tief empfangend, frei
geworden.
O solche Juigend, frei und
frohes Weben
Und solche Innigkeit, solch
frisches Streben
Wird Jugend nicht, wird Jahren
nur gegeben.
Du im Verderben bliebest
unverdorben,
Durch Leid hast du so leichtes
Sein erworben,
Wie du, so lebt nur, welcher
schon gestorben.
Es schaut in’s Herz, der Wesen
Inn’res schaut,
Selbst ungesehn der Herr; mir
ist es kund.
Es sieht der Mensch allein auf
Hand und Mund
Und Miene, tadelnd oder
auferbaut.
Doch Seinem Ohr wird jene
Stimme laut
Heimlichen Willens, wer auf
weitem Rund
Mit Himmel oder Höll’ im Liebesbund
Sein Tagwerk übt, dem Tag, der
Nacht vertraut.
Im Mittelpunkte weiß der Erde
Kraft
Sich von der Sonne Allmacht
still getragen,
So drinnen ihr, wie außen Leben
schafft;
Ich aber wag’s den Blick
emporzuschlagen,
Nicht von mir selbst, noch von
der Welt entrafft,
Gesehn mich wissend, darf ich
Alles wagen.
Gott lieben, leicht ist’s,
schwer oft Menschen lieben,
Licht ist des Herren
schimmerndes Gewand
Und ew’ge Schöne; doch im
ird’schen Land
Muß dunkle Sünd’ der Seele
Lichtkleid trüben.
Doch willst du, Herr, sie Alle
soll ich lieben,
Um Alle schlingen sich das
heil’ge Band;
Ja, meine Liebe wird nicht
anerkannt,
Will ich sie nicht an allen
Menschen üben.
So überkleide mit dem
Widerglanze
Von deiner Schöne sie, laß ihre
Seelen
Im Strahl des heil’gen Blutes
mir erscheinen,
Das sie erhellt. O zeig’ im
Dornenkranze
Die Menschheit mir, die du
gemocht erwählen,
Sie anzuziehn, und laß mich
lieben, weinen!
Der Liebe Anfang ist die Furcht
des Herrn,
Doch in vollkommner Lieb’ ist
Furcht verschwunden:
Sie sehnt das Ziel heran der
Erdenstunden
Und grüßt voll Hoffnung Gottes
Tag von fern.
Des großen Tags der Zukunft
denkt sie gern,
Mit ihm, der kommt, weiß sie
sich eng verbunden;
Er trocknet alle Thränen, heilt
die Wunden
Der Seinen all’, ein ew’ger
Morgenstern.
Du sprichst: mein Herz kennt
keine Furcht; doch fürchte,
Daß Liebe dir noch fern: Lieb’
ist die Blüthe
Der echten Furcht, ist gleich
nicht Furcht in ihr;
Und wenn dein Herz dir ew’ges
Heil verbürgte
An Liebe leer, doch ziehst du
eine Niete
Und deine Zuversicht ist
Wahnsinn schier.
Der Himmel fragt den Acker und
das Land
Mit warmem Sonnenstrahl und
mildem Regnen;
Und sieh’, wie Feld und Flur
dem Wort entgegnen
Mit Bluth’ und Früchten,
himmelwärts entsandt.
Wenn Pfleg’ und Schutz des
Hirten Heerde fand
Und Weide, wird mit Weide sie
begegnen
Des Hirten Treu’ und seine Mühe
segnen?
Nein, Woll und Milch sind ihres
Dankes Pfand.
Und fragt dich Herz der Himmel
sanft mit Strömen
Des heil’gen Gnadenquells, mit
Liebesstrahlen
Der Sonne ew’ger Wahrheit, Huld
und Güte:
„Willst du nicht nehmen?“
willst du einzig nehmen,
Genießen, halten und nicht
’rück bezahlen,
Nicht eine Tugendfrucht, noch
Dankesblüthe?
Mich schuf der Herr; so folgt,
ich muß Ihm dienen,
Kann leugnen nicht, daß ich
sein Sklave sei.
Mich liebt mein Gott; und
sieh’, er schafft mich neu:
So darf ich Kind zu nennen mich
erkühnen.
Und lieb’ ich ihn, schnell
strahlt in meinen Mienen
Sein Gleichniß auf; o Jubel,
ich bin frei!
Durch ihn, die Liebe, lieb’ ich
brünstig, treu
Den Herrn und kann der Trennung
Schmerzen sühnen.
O Hoffnungsfreude, innig,
tiefbewußt
Lehrst du den Geist des hohen
Tags gedenken,
Wo Aug’ in Aug’ wir uns in ihn
versenken,
Vertrauend ewig jeglichen
Verlust,
Wo, was nun Glaub’, in
schwermuthsvoller Brust,
Wird Schau’n, uns ew’ge
Wonneströme tränken.
Manch Schönes lockt, manch
Reizendes gefällt
Und zieht mich an mit mächtigem
Verlangen;
Kaum ist es mein, schon ist der
Reiz vergangen,
Und im Genuß der Schönheit
Glanz entstellt.
Wie mit der Frucht Beginn die
Blüthe fällt,
Scheucht der Besitz die
Herrlichkeit; mit Bangen
Wird anderm Guten sehnlich
nachgehangen,
Das, bald gering, auch Anmuth
nicht behält.
Laß denn vergebens mich nicht
hier und dort
Nach manchem Guten suchen; sei
das Gute
Der Mühe Preis, wo rings kein
Gleiches, Festes.
Was Gut durch sich, sei meiner
Hoffnung Hort,
Durch welches Alles gut. Auf
denn, mit Muthe
Zum einz’gen Gut; es ist mein
Wahres, Bestes.
Wer wandelt auf des Geizes rauhem
Pfad,
Und irrt mit blut- und
staubbedeckten Tritten
Auf stein’gem Grund und in der
Dörner Mitten,
Kehr um, eh’ er versteint und
es zu spat.
Wer steiler Wollust
Schlangenpfad betrat
Und oft vom Felshang jäh’ zu
Thal geglitten,
Kehr’ eilends um; genug hat er
gelitten;
Fern der Harpy hör’ er auf
Freundes Rath.
Wer auf der Selbstsucht eck’gen
Wegen breit,
Schwerfällig, dünkelhaft noch
tappt voll Stolz,
Kehr um, eh’ er den stolzen
Nacken brach.
Schön ist der Tugend Pfad ist
leicht und weit
In Schönheitslinien; Laster,
wie von Holz,
Tappt strauchelnd nebenher voll
Ungemach.
Ein schwarzer Zug; mit Leid und
dumpfem Klagen
Begleitet man zur Stätte, wo
der Tod
Monarchisch herrschet, die
einst Allen droht,
Den Leib; es schwankt der sarg,
leis ächzt der Wagen.
Ein schnöder Geizhals wird zur
Gruft getragen,
Ein Wuchrer, dem viel Gold die
Erde bot,
Vor dessen Strahl ihm schwand
das Morgenroth
Der bessern Welt, beim Schinden
und beim Plagen.
Gedämpfte Trommeln und Posaunen
schweigen.
Manch leisen, stummen Fluch
trägt bang’ der West
Vom Mund des Armen zu dem Ort
der Ruh’.
Und ob dem Grab sich
Frühlingszweige neigen,
Marienblümchen, Veilchen blühen
läßt
Der Hügel; Schweigen deckt die
Stätte zu.
Laß nicht die Welt so mächt’gen
Zaubers schalten
Mit deinem Herzen; öde, kalt
und lahm,
Mißtrauisch düster, ob in
goldnem Rahm,
Macht dich ihr Bild, such’ es
nicht fest zu halten.
Doch jugendwarm und licht wird
sich entfalten
Dein Herz voll Zuversicht, wo
Kraft ihm kam
Von jenem Bild, drin nur ein
süßer Nam’
Geschrieben steht in Lettern,
goldumstrahlten.
O jenes Bild der Welt entsaugt
das Mark
Dem Herzen und Gebein, und
macht dir’s schwer,
Für kurz ein Schlechtes,
Kleines zu gewinnen.
Doch jener Name macht dich froh
und stark,
Zum höchsten Gut zu streben
leicht und hehr,
Das ewig lohnt und über alles
Sinnen.
Auf hoher Bahre liegt die
Jungfrau rein,
Im Gange steht die schwarze
Todtenlade.
Die Sonne sank, schon dunkeln
weit die Pfade,
Rings um das Haus glänzt Leichenfackelschein.
Horch, die Posaun’; ha, welch’
ein Klagverein!
Am heißen Tag gelockt zum
Meergestade
Mit ihrer Dienerin zum eis’gen
Bade
Traf sie der Tod; mög’ Gott ihr
gnädig sein!
Hinweggerafft in erster
Jugendblüthe,
In heimlich süßer Ahnung erster
Liebe,
Eh’ wild noch war die
Leidenschaft entlodert,
Das Herz voll Unschuld und voll
Himmelsgüte
Schied glücklich sie aus wirrer
Zeiten Trübe;
Früh vor den Thron der Ewigkeit
gefodert
Es gleicht des Geistes Seele in
der Zeit,
Wo des Gemüthes Schatten sie
umfingen,
Gram, Sorg’ und Kummer ihren
Fuß umschlingen,
Dem Wandrer irr’ in Waldes
Einsamkeit.
Phantastisch knorr’ge Aest’ und
Düsterheit
Der laub’gen Zweig’ und Ranken
ihn umringen,
Wild drohend drüber dürre Arme
dringen
Gespenstisch vor, wo hohl es
ächzt und schreit.
Durch braune Nacht nur selten
dringt ein Strahl
Des Himmels ein; zuweilen
scheucht ein Wehn
Die träge Luft, wo feierlich
und düster
Das Farrenkraut umragt ein
Todtenmahl.
Fern, gleich der Zeit, hörst du
die Mühle gehen;
Rings Moosduft, Waldgeruch und
Blattgeflüster.
Trüb’ schlich ich hin längs
blätterlosen Hainen
Im stillen Grund; der Regen war
vorbei.
An allen Zweigen hing die
Zauberei
Der Tropfen hell im abendlichen
Scheinen,
Wie Thrän’ in Greises Aug’; ich
mußte weinen.
Da sprengt mein Herz der
Sehnsucht wilder Schrei,
Und war’s, als riß die
Wolkenhüll’ entzwei
Und wollte mir die Herrlichkeit
erscheinen.
O sel’ger Lichttag stiller
Ewigkeit
Mit deinen Jubeln, deinen
Freudenchören!
Wie schnell stürzt’ ich in
schmachtende Verbannung,
Zurück in dieses Lebens Noth
und Streit,
Nah’ ew’ger Nacht in Gram mich
zu verzehren;
O dein Gedächtniß leihe mir
Ermannung.
Ob gut, ob schlimm, stets
gibt’s ein Wetter draußen,
Bei Sommers Abschied, Lenzes
Wiederkehr,
Im Winterfrost, in Sommers
Gluthenmeer,
Ob Mailuft weht,
Septemberstürme brausen.
Sei’s Nacht, sei’s Tag, im
Säuseln oder Sausen,
Wie wäre je dein Herz von
Stimmung leer!
Gib denn die Brust zur
Aeolsharfe her,
Sanft töne sie, ob Mild’, ob
Strenge hausen.
Geschaffen ward die Seele, frei
zu sein,
Doch auch mit Engeln, Menschen
mitzufühlen,
Und tausendfach mit der Natur
zu spielen
Im wechselnden Accord. Nicht
soll mich’s reu’n,
Als Instrument zu tönen im
Verein,
Mit tausend auf des Einen Preis
zu zielen.
Bald gleicht mein Leben
blum’gen Wiesenplane,
Bald läuft der Pfad durch öde
Heiden hin;
Doch in den ew’gen Sternen
forscht der Sinn,
Wie er auf Erden recht den Weg
sich bahne.
Bald schwingt der Jubel seine
heitre Fahne,
Bald scheint das Leben kaum mir
noch Gewinn;
Doch wie es geht und wo ich
immer bin,
Ich steure nicht allein im
Lebenskahne.
Mein Leben ist ein Lied, hoch
in den Sternen
Geordnet und gesetzt vom hohen
Meister.
Kein gutes Lied ohn Übergang und
Pause!
Mag selbst der Herr den
Mißklang nicht entfernen,
Der noch zum Wohlklang führt im
Chor der Geister:
Geduldet und gehofft, bis wir
zu Hause.
Gleich jenem Thierchen, dessen
zarten Schwingen,
Streckt sich’s zum Flug, ein süß
Getön entschwirrt,
Metallisch an den Flügeldecken
klirrt
Ihr Zittern, die es Fesseln
gleich umringen:
So Psyche’s Lied, will sie sich
aufwärts schwingen
Aus Kerkernacht, worein sie
sich verirrt,
Voll Sehnsucht, tönend: laut
erschüttert wird
Das Thongehäuf’ vom
Flügelschlag erklingen.
Vom Morgenstrahl des ew’gen
Tags erregt
Zu Himmelssehnsucht leis im
tiefsten Innern,
Gibt sie, gleich Memnon’s
Säule, ihren Klang;
Und wie die Nachtigall im Lenze
schlägt
Die ganze Nacht, im Hoffen und
Erinnern,
Singt in der Kerkernacht sie
lebelang.
Sing’ von Liebe, eh’ das Leben
flieht!
Laß das Lied zu deiner Harfe
Saiten
Leicht beflügelt Aller Herzen
weiten,
Einen Himmel tragen in’s
Gemüth.
Doch verstummt die Harf’,
verstummt das Lied,
Sing’ im Innern, wie in frühren
Zeiten;
Laß das Herz nur den Gesang
begleiten,
Dessen Harfe nicht von hinnen
schied.
Aber sendet dir so großes Leid
Ew’ge Liebe, daß in
Finsternissen
Selbst der innern Harfe Saiten
rissen,
Die nicht einen reinen Ton dir
beut:
O, dann sei zu denken doch
beflissen
Jenes Lieds der Sel’gen,
Ewigkeit.
Wessen Herz in Liebe nie
gebebt,
Sprich von Lieb’ ihm nicht, du
sprichst den Winden;
Nimmer wird dein Wort ein Echo
finden
In der Brust, die an der Erde
klebt.
Nur dem Herzen, welches
aufwärts strebt
Zu der ew’gen Sonn’ aus
feuchten Gründen
Sumpf’ger Thäler, brennend,
loszuwinden
Sich von Erdentand, und kühn
sich hebt:
O ihm sprich von Lieb’; in
vollen Strömen
Laß in solch ein Herz die Fülle
fließen
Deiner Brust und selig sich
ergießen!
Es vernimmt dich freudig sonder
Grämen,
Wird dein Wort, eh’
ausgesprochen, grüßen
Und entzückt dir es vom Munde
nehen.
Säh’ ich erst in deiner Liebe
Licht,
Herr, die Welt in einem
Liebesstrahle,
O wie glänzte mir mit einem
Male
Umgewandelt rings ihr
Angesicht!
Ach, ich bin’s, nein, du, o
Liebe, nicht,
Die es mir verwehrt; im
Pilgerthale
Wallend reizt mich noch der
Dinge Schale,
Die des Herzens Wille noch
nicht bricht;
Ja, du harrst mit deiner Liebe
Fluth
Unermeßlich an des Herzens
Thoren,
Harrest, ob, der sich so sehr
verloren
An die Welt, nicht endlich
fasse Muth,
Dir zu leben, rein und neu
geboren,
Harrest sein mit heißer
Liebesgluth.
Einst ward der Tag aus Abend
und aus Morgen,
So unser Dämmerlicht aus Tag
und Nacht.
Es spielt im Licht der
Lebensfarben Pracht
An Dunkels Grenze, fröhlich und
geborgen.
Blick’ auf, mein Herz, zum
Licht und laß die Sorgen,
Wie du aus dunkler Nacht an’s
Licht gebracht;
Spielt doch, inmitten beider
angefacht,
Des Lebens Reiz, tief im Gemüth
verborgen.
Sanft dämmert Nacht in lichten
Tag hinein,
Mild blickt der Tag und lächelt
in die Nacht,
So lichte Freud’ und dunkles
Leid im Herzen.
So fällt in Trauer milder
Freude Schein,
Zur Himmelshoffnung wird sie
angefacht,
So wird zur Sehnsucht dunkle
Qual der Schmerzen.
Laß mich nicht fragen, forschen
nicht und klügeln,
Wo Gottes Urtheil und Gericht
ergehn:
Laß stumm anbetend tief im
Staub mich flehn,
Umrauscht von seiner Todesboten
Flügeln.
Was, will der Staub des Ew’gen
Rath entsiegeln?
Zum heil’gen Schauer nur von
ew’gen Höhn,
Wo Cherubim, verhüllt das
Antlitz, stehn,
Kam das Gericht, die Allmacht
zu entriegeln.
Geht Gottes Stimme über Land
und Meer,
Mag wohl des Menschen Mund
verstummen: laut
Verkünde nur des bangen Herzens
Schlag
Des Unsichtbaren Nähe, groß und
hehr;
Es schallt sein Zürnen in der
Windesbraut,
Verkündend nah’ den letzten
großen Tag.
Früh war’s, noch glänzte ein
und andrer Stern
Der stillen Nacht; ob Ostens
Berg, dem düstern,
Stieg silbernes Gewölk, sacht
hört’ ich’s knistern
Im Buchenhain und leis Geknack
von fern.
Und süßem Regen lauscht’ ich
tief und gern
Der Zweig’ im West, der Vögel
in den Nüstern;
Leis schienen sie ein
Morgenlied zu flüstern:
Da war’s, als hört’ ich wandeln
nah’ den Herrn.
Wie Zephyrhauch war seines
Nahens Gang,
Und wie ein Ocean ergoß sein
Frieden
Sich in des Herzens
ahnungsstilles Sehnen.
O du, des Herzens Füll’ und
Überschang,
Rief ich, so groß wie du ward
mir beschieden
Das Herz: dich faßt’s; da
stürzten meine Thränen
Viel tausend Arten Blümchen
trägt die Heide,
und jeden Morgen hebt die
Blüthenknöpfchen
Jedwedes Kräutlein mit
neugier’gem Köpfchen,
Zur Sonne spähend, seiner Lust
und Freude.
Und freundlich tritt sie her im
prächt’gen Kleide
Und spendet jedem zarten Halm
ein Tröpfchen
Des Himmelsthaues in sein
Honignäpfchen,
Daß sich’s erquick’ und tief im
Innern weide.
Auf Thymian und Rosmarin und
Myrrhe
Senkt sich der Biene süß
Verlangen nieder
Und sammelt Honig selbst von
bittrer Blüthe.
O Mensch, mit Sorgen nicht dein
Herz verwirre!
Senkt ewig doch in dir ein
Strom sich nieder,
Von Himmelshöhn, der ew’gen
Huld und Güte.
Sanft sucht die Erde mit dem
Oceane
Hoch nach des Weltenauges
Flammenschein,
Sanft blicket Sonn’ ihr tief
in’s Herz hinein
Durch’s klare Aug’, daß sie der
Frucht sie mahne.
Und liebentzückt schnell
pflanzt sie auf die Fahne
Der Schönheit rings, mit Anmuth
und Gedeihn
Allum sich schmückend, daß im
Widerschein
Sie neu den Weg zum Sonnenherz
sich bahne.
Und mütterlich umzieht mit
Segensfeldern,
Voll goldner Saat, und dunklen
Weinbergsranken
Sie ihren Leib und glüht gleich
einer Braut.
Der Fruchtbaum glänzt, sie
rauscht mit Blüthenwäldern,
Voll Leben und Gesang die
Zweige schwanken. –
Beglückt das Herz, das so die
Liebe schaut!
O, wär’ mein Herz von jedem
Flecken rein,
Wie selig wandelt’ ich durch
Frühlingsauen!
Wie würde rings der Tempel sich
erbauen
Der Weisheit, ich ein Kind im
Hause sein!
O, wär’ ich los von allem
eiteln Schein,
Wie würd’ ich selig Gott in
Allem schauen,
Das All in ihm und grenzenlos
vertrauen,
Und Alles, was da sein, es wär’
auch mein!
Er, der dem Reinen seinen Sohn
gegeben,
Gab mit dem Sohn demselben auch
die Welt
Und Alles, Ehre, Reichthum,
Glück und Leben.
Gesundheit, Freiheit, Frohsinns
Wonne hellt
Des Hochbeglückten Blick, der
ihm ergeben,
Dem Er allein, nichts außer ihm
gefällt.
Ja wahr, es ist uns Allen
angeboren,
Daß unser Geist empor und
vorwärts dringt,
Wenn über uns, im blauen Raum
verloren,
Ihr selig Jubellied die Lerche
singt!
Wenn über schroffen Felsenhöhn,
den Thoren
Des Himmels nah’, der Adler auf
sich schwingt
Und siegend schwebt; zum Land,
das er erkoren,
Der Kranich heimwärts seine
Schaaren bringt!
Allein wer tilgt der Sehnsucht
heil’ge Schmerzen
Hienieden nach dem unbekannten
Land,
Wohin wir zielen, fest am Staub
gebannt?
Ein Jesusblick schafft
Himmelsfried im Herzen,
Da nahen Glaub’ und Hoffnung;
Liebesband
Knüpft Himmel, Land und Meer
an’s Vaterland.
O, nicht umsonst ist deine Welt
so reich,
Dies Herz ein unerschöpflich
tiefes Meer,
Leis mit dem Leben in der Wesen
Heer
Mitklingend und für Freud’ und
Schmerz so weich!
Dich kündet Alles; mich
erschufst du gleich
Dem Bilde dein; und bis zur
Wiederkehr
Zu deiner Wohnung gabst du
rings umher
Mir Alles, als dem Sohn in
deinem Reich.
Du willst, noch soll ich aus
der Welt nicht scheiden,
Soll leben noch und thun in
Raum und Zeit;
Doch warnst du mich ernst vor
der Welt Gefahren.
Such’ ich nur dich in Allem,
wird’ ich meiden
Jegliches Unheil, was mich
rings umdräut,
Und unbefleckt die Seele dir
bewahren.
Mich träumt’, ich sei erwacht,
und durch die Gassen
Der alten Stadt, bekannt, doch
wunderbar,
Trug mich mein Fuß; gesund und
frisch und klar
War rings die Luft; Gram hatte
mich verlassen.
Ehrwürdig ragten rings die
Häusermassen
Und hoch die Tempel, ganz, wie
einst es war,
Aus ew’gem Gold, so schien es,
ganz und gar;
Kaum mocht’ mein Herz die
lichte Wonne fassen.
Da leuchtend stieg an dunkler
Kirchenecke
Mit Lebenswind der silberhelle
Morgen;
Metallen rauschten süß der
Bäume Zweige:
„Hier ist der Herr;“ ich wußt
es sonder Schrecke,
Hier fester Grund; verbannt
Tod, Sünd’ und Sorgen,
Und Alles rein, der ew’gen Ruhe
Zeuge.
Ein Kleinstes ist der Wille,
den ich hab’,
Den ew’ger Wille neidlos
zugesteht
Seinem Geschöpf und Bilde:
machtlos steht
Er in der Brust, ein kleiner
Eisenstab.
Und doch zum Größten wird mir
diese Gab’;
Umschließt er fest den ewigen
Magnet,
Zu ew’ger Allmacht Werkzeug
schnell erhöht
Der schwache sich und schwingt
sich aus dem Grab’.
Mit ihm selbst waffnet sich
allmächt’ger Wille
Und schafft durch ihn der
ew’gen Weisheit Plan,
Den Lieb’ ersann, durchführend
in der Zeit.
Des Knechtes Rüstzeug ist des
Herren Fülle;
So zagt, mit solcher Rüstung
angethan,
Er nimmer, selbst mit Welt und
Höll’ im Streit.
Erst in der Selbsterkenntniß
engem Thal
Erglänzen dir der
Gotterkenntniß Höhn,
Bestrahlt vom Morgenrothe hehr
und schön,
Gen Himmel ragend in dem
Purpurstrahl.
So erst von oben steinig, öd’
und schmal
Wirst in des Herzens Nebelthal
du sehn
Den Pfad sich winden und die
Hügel stehn
Beraubt der Schönheit,
blätterlos und kahl.
Strebst du hinan zum Heil auf
ew’gen Hügeln,
Sehnt nach der höchsten Liebe
sich dein Herz,
Darf dir nicht Gott- noch
Selbsterkenntniß mangeln.
Vereint erst werden sie empor
dich flügeln;
Du greif’ nach beiden, sei’s in
Wonn’, in Schmerz:
Des Himmels Pforte schwebt in
beiden Angeln.
Nach innrem Urtheil ziemt’s das
Außre schlichten,
Will’ ist Gesetz den willenlosen Dingen,
Lebend’ge Form muß todten Stoff
bezwingen,
Nach Geistesplan die äußre Welt
sich richten.
Doch Innres ist nach Obrem
einzurichten;
Vergebens dichten wir, nichts
will gelingen,
Wo nicht aus heil’gem Urmaaß
wir empfingen
Erst Lichtesstrahl sammt Maaßen
und Gewichten.
So führt das Schiff durch’s
grenzenlose Meer
An seinen Ort die Nadel sonder
Tadel,
Es sicher leitend durch die
dunkle Fluth.
Doch über sie gebeut ein
Größerer:
Die Erde ist ihr Herr, ihr
Ruhm, ihr Adel:
In ihrem Zug sie wonnezitternd
ruht.
Gleich stillem Meere,
spiegelglatt und eben,
Wo rings umher kein Wind, kein
Lüftchen wach,
Ruht eingewiegt hell in der
Freude Tag,
Nicht kündend seine Tiefen uns,
das Leben.
Kein Segel regt sich im
Vorüberschweben,
Das in der Sommerbucht vor
Anker lag
Seit Monden schon; träg’ sieht
dem Vogel nach
In blauer Luft der Schiffsherr
ohne Streben.
Dem Sturme gleicht das Leid; er
tobt heran,
Schnell regt er auf den
Abgrund, offenbar
Sind seine Tiefen, seine
Schätz’ und Schrecken.
Korall’ und Perl’ sind drunten
aufgethan
In grauser Gruft; rasch stählt
sich zur Gefahr
Nun Geist und Arm, den die
Orkane wecken.
Die Erde, drauf du wandelst,
zuckt und bebt
Gebirge sprühn, vom untern
Feu’r durchgluthet,
Empor den Brand, die Woge ebbt
und fluthet
Im Ocean; im Streit ist, was da
lebt.
So wächst der Mond und
schwindet, ängstlich strebt
Er, deinem Herzen gleich, wenn
es entmuthet,
Sich zu ergänzen; blutend nicht
verblutet
Die Welt, die zwischen Fluch
und Segen shwebt.
Weit auf der Erd’ herrscht
siegreich die Beschwerde,
Bleich wandelt sich der Mond,
und ohne Fehle
Blieb nimmer selbst der Sonne
heil’ger Kreis.
Und, o ich fühl’s, es gleicht
mein Leib der Erde,
Dem wandelbaren Monde meine
Seele,
Mein Geist der Sonn’, erathmend
bang’ und heiß!
Ach, ird’sche Sorge ist ein
Staubmagnet,
Der Erde zieht, ein Rost, der
schnell verkümmert
Den Glanz der Seele, die
gediegen schimmert,
Wie Erz in angeborner Majestät.
Ein Maulwurf ist sie, der, was
heilig steht,
Als unterird’scher Pionier zertrümmert;
Gerank, das stets den Lebensweg
verschlimmert,
Den Fuß umstrickend, wie man
weiter geht.
Ein Proteus, schnell, in jede
Form zu fahren,
Bald schön, bald häßlich, wie
Insectenschaaren
Den Tag verdeckend, Ruh’ uns
gönnend nimmer,
Mit Dunst vernebelnd jeden
Hoffnungsschimmer,
Ob wechselnd, wachsend doch von
Jahr zu Jahren,
Blutsaugend, lähmend,
herzzermarternd immer.
Gott, welche Sorgen grauenvoll
und scheußlich,
Die unsre Seele oft gleich
gift’gen Spinnen
Umstricken eng’, durch die wir
nichts gewinnen,
Als Qual, und die dennoch so
schwer abweislich!
Ach, jede Gottesgabe, gut und
preislich,
Verekeln sie den
schwergetroffnen Sinnen,
Die, von Tarantelstich
erkrankt, beginnen
Heillosen Tanz, wo nichts mehr
klug und weislich.
Doch recht geschieht uns, wenn
den Fliegen gleich
Geängstigt in der Sorge Netz
wir hangen
Verstrickt und nur den Tod im
Centrum schaun.
Warum entschwand dem Blick Gott
und sein Reich? –
Kein Aar wird sich im
Fliegennetz verfangen;
Wir sind nur elend, weil wir
nicht vertraun.
Fahr’ wohl, micht bin ich
deiner Schätz’ Erkunder
Fortan, o Welt! Wohl kenn’ ich
dies Kapitel,
Hohl klingt dein Erz, die Titel
ohne Mittel
Sind mir bekannt und regen mir
nicht Wunder.
Leicht fängt der Hölle Funken,
wo dein Zunder
Noch weilt im Herzen; laß im
schlichten Kittel
Der Weltentsagung mich trotz
allem Kritel
Zufrieden ziehn, verachtend
deinem Plunder!
Und wenn den Mann, der Ehre,
Reichthumsschätze
Und Wollust hält gering, gleich
mein Jahrhundert
Anstarrt, gleich wie ein Rind
´das neue Thor:
Verdient’s doch nicht, daß ich
mich drob entsetze,
Noch bin ich selbst bei ihrem
Thun verwundert;
Aufsteht des Heiles Thor, doch
sie davor.
„Er ist ein Ketzer, ist ein
Pyrrhonist,
Er glaubt nicht an die Seele,
an die Welt,
Hat alle Dinge auf den Kopf
gestellt,
Mißbraucht die Red’, ein
trüglicher Sophist.“
Ist dies das Dümmst’ und
Schlimmste, Freunde, wißt,
So steh’ mit jenen ich auf
gleichem Feld.
Wißt ihr, wie lang der
Weltenbau noch hält?
Ob ewig eure Seele selig ist?
Ich glaub’ nicht an die Welt,
noch an die Seele.
Der Tag des Herrn kommt gleich
dem nächt’gen Diebe:
Wer wird allda die Welt, die
Seele retten?
An Gottes Huld nur glaub’ ich
ohne Fehle;
Aus Flammen zieht die Welt nur
ew’ge Liebe,
Sie kann die Seel’ auf Ros’ und
Lilien betten.
Du träge, starre, schwer’ und
finstre Welt,
So kalt, so fern von Gott, oft
will mich’s dünken,
Als müßte jäh der Tag des
Lichts dir winken,
Schnell tödtend ihn, der dich
gefangen hält.
Mir ist’s, als ob, der deine
Massen schwellt,
Der goldne Schatz, den ew’gen
Tag zu trinken,
Aufquöll’ in hell krystall’nem
Wiederblinken
Leicht, licht und weich, wie
vormals hergestellt.
Schnell zuckt durch deine
Berge, Höhn und Thale
Auf Allmachtsruf, dich wonnig
zu erneun,
Der Aufgangsblitz mit
Morgenrothes Schimmer;
Purpurisch, wie bei Nacht die
goldne Schale
Durch’s Dunkel, glüht dein
unvergänglich Sein,
Verwandelnd deine Wesen, deine
Trümmer.
Ein stummer Gram, ich weiß ihn
nicht zu deuten,
Befällt mich oft, denk’ ich
vergang’ner Zeit;
Gleich einem Chaos liegt sie
weit und breit,
Und drüber düstre Nebelsäulen
schreiten.
Doch schnell die Nebel
auseinander gleiten,
Gedenk’ ich dein, der in der
Ewigkeit
Die Zeiten ordnet; o du schnell
bereit,
Gerecht zu schlichten alle
Dunkelheiten!
So hellt der Mond, den Wolken
uns verhüllen,
Doch ferne Berg’ und Thäler,
Schlösser, Haine
Und Riesenfichten plötzlich uns
entschleiernd;
Wir sehn die Wolken ihn mit
Glanz erfüllen,
Doch nicht ihn selbst, nur seine
Widerscheine,
Und betend auf der Höh’
erwartend, feiernd.
O hoff’ und strebe, nicht zu
sehr versenke
Den trüben Geist in die
Vergangenheit,
Der heil’gen Liebe frühe
Erstlingszeit!
Bedenk’, wie Gott stets neue
Gaben schenke.
Zur heil’gen Zukunft deine
Blicke lenke!
Er, dem die Erstlingsknospen
einst geweiht
Von deiner Liebe, neuen Segen
beut
Er stets, daß er Gepflanztes
nähr’ und tränke.
Die Zukunft trägt des Saamens
neue Fülle
Und Segen für den alten und
Gedeihn,
Und jeder Aussaat folgt ein Tag
der Ernte.
Dem Tage folgt die Nacht, die
reichbesternte.
Du hoff’ und streb’ und stehe
nimmer stille,
Er ist nur Geben, willst du
Weigern sein?
Regt Geisteswort im Frommen das
Gebet,
Kann auch in luft’gen Höhn, in
Erdenklüften
Der Geist des Worts Gebetserfüllung
stiften,
Deß Macht durch Himmel, Erd’
und Abgrund geht.
Es rief zum Herrn Elias, der
Prophet,
Und sieh, Gewölk entstand in
trocknen Lüften,
Und regen rieselte auf welke
Triften,
Die seit drei Jahren dürrer
Staub umweht.
Wahrhaft Gebet, es kommt im
Geist vom Gott,
Der kein Gebet und lehrt und in
uns spricht
Und seufzt, das er nicht kann
und will erfüllen.
Hoff’ Seele, wenn der Geist
dich beten heißt
Und mit dir betet, sei voll
Zuversicht:
Er gab den Durst und wird den
Durst auch stillen.
Was sieht das Herz in diesem
tiefen Blau
Des Firmaments das Geist und
Auge tränkt,
Drin unersättlich sich der
Blick versenkt,
Was will die weite blumenlose
Au’?
Zeigt wohl Verwandtschaft diese
sel’ge Schau
Mir zwischen Seel’ und Luft, der
sie gedenkt?
Was einst mein Geist so klar,
eh’ abgelenkt
Er von der einen Sonn’ im
weiten Bau?
Und bricht durch die getrübte
Atmosphäre
Der Seele, voll von Nacht und
Ungewittern
Und Regenwolken itzt ein leiser
Schimmer
Vom Blau der Urzeit, kündend, daß
sich kläre
Ihr inn’rer Tag, wenn Nebel
all’ verzittern
Und eine Sonn’ in Allem
herrscht für immer.
337
O, wär’ ich doch die Lerch’ in
blauer Luft,
Im Freien würd’ ich Tag und
Nacht verbringen;
Vom Regen naß, schnell
trocknet’ ich die Schwingen
Im Sonnenschein, umweht von
Waldesduft!
O, wär’ ich doch die Lerch’ in
blauer Luft,
Wie wollt’ ich weit in alle
Fernen dringen,
Hoch über Ungewittern auf mich
schwingen,
Entflohn der Erd’ und dumpfen
Felsenkluft!
Nur selten flög’ zu Aehrenfeld
und Weide
Des Klee’s ich abwärts; droben
wär’ mein Leben,
Wo mir der Gott ein günstig
Loos beschied.
Mein Leben wär’ Gesundheit,
Frohsinn, Freude,
Und Wonne an nichts Irdischem
zu kleben,
Und jeder Odemzug ein
Freiheitslied.
Ich floh, um volle Freiheit zu
erringen,
Nach eignem Sinn, wie Jonas,
der Prophet,
Vor Zeiten floh vor Gottes
Majestät,
Um anderswo sich besser zu
verdingen.
Nur Traurigkeit fühlt’ ich mein
Herz bezwingen
In banger Gottesfern’; die
Brust umweht
Vom samum dieser Welt, floh zum
Gebet
Mein Herz, eh’ noch die
Strahlen untergingen.
Und ich erkannte schnell: des
Menschen Loos
Besteht im Dienen; dienend frei
zu sein
Und stark und freudig, ihn der
Herr erschuf.
Doch Gottesdienst nur macht ihn
frei und groß
Und stark und hochbeglückt; für
sich allein
Schuf ihn der Herr, sein Dienst
ist ihm Beruf.
Gesellig ist im Feld der Bienen
Mühn,
Die sich im Stock um eine
Fürstin einen;
Gesellig Stern im Reigentanz
erscheinen,
Wenn sie bei Nacht die heil’gen
Straßen ziehn.
Selbst Engel nicht der Engel
Nähe fliehn,
Anbetend, feiernd um den Thron
des Einen;
Muth naht des Pilgers Brust,
Kraft den Gebeinen,
Wenn viele Pilger gleichem Ziel
erglühn.
Laß denn auch mich mit Vielen,
laß mit Allen,
So nur ein Ziel und Centrum hat
gefallen
Mit mir, mich froh den Pfad zur
Heimath wallen.
Ein tröstend Wort ist Balsam
für die Herzen;
Am Tage theilen Freuden wir,
wie Schmerzen,
Und schaun bei Nacht die
gleichen Himmelskerzen.
O könnt’ ich dich mit mächt’gen
Tönen locken,
Wie Jagdhorns Ruf von ferner
Berge Hang,
Wenn früh es hallt das
Schattenthal entlang
Noch vor dem Klang der hellen
Morgenglocken.
Süß wacht im Herzen, dessen
Pulse stocken,
Die Sehnsucht auf und regt sich
selig bang
Zu ew’gen Glück; im Ohr den
leisen Klang,
Die seel’ erwacht, wie unter Blüthenflocken.
O könnt’ ich dich zum stillen
Eiland ziehn,
So heimlichfern und doch so
wohl bekannt,
Wohin dich trägt ein unbewußtes
Sehnen;
Wo alle Hain’ im Morgenstrahl
erglühn,
Wo Sorg’ und Mißklang ewiglich
verbannt,
Die Zweige rings nur Lieb’ und
Friede tönen.
Wenn Lenzluft weht, wenn rings
auf allen Wegen
Die Welt erwacht, wenn lieblich
klingt die Luft,
Von Wald und Wiese schläfernd
süßer Duft
Zum Traum uns lockt i,
Lindenblütenregen,
Von allen Seiten strömt ein
reicher Segen
Der Schönheit, tausendfältig
abgestuft,
Das Leben quillt und sproßt: Da
plötzlich ruft
Ein Sehnsuchtsschrei das Herz
in vollen Schlägen
Hinan, hinauf vom Busen der
Natur
An’s Herz des Vaters, von der
reichen Schöne
Hinan zum Geist, der alle
Schönheit ist!
Blau glüht ob unsrem Haupte der
Azur:
Dort weilt die Liebe, lispeln
Engeltöne
Sie, deren Herrlichkeit kein
Mensch ermißt.
Mir tief im Herzen schlummert
eine Leier,
Unsichtbar, heilig; ferner
Widerhall
Ist meiner äußern Dichterleier
Schall
Von ihrem Ton in stiller
Sabbathsfeier.
Was ich verkünde, zeigt und
birgt ein Schleier,
Die Urgestalt; der Melodien
Fall
Entstellt verhüllend nur ihr
Ideal,
Als sei ein Lügner ich und
Ungetreuer.
Soll denn entzückt vernehmen
nur mein Ohr,
Was auf der innern Leier Silbersaiten
Die Gottheit spielt und sel’ger
Engelchor?
Verwelken, wie gebroch’ner
Rosenflor,
Die Melodien, künd’ ich sie den
Leuten,
Und ziehn sie auf dem Stamm zu
bleiben vor?
Was selbst ich bin, daran ist
nichts gelegen,
Ob ich ein großes oder kleines
Thier.
Die Ceder sucht das himmlische
Revier,
Der Ysop kreucht an niedern
Felsenstegen.
Ja, alles Heil liegt an des
Himmels Segen;
brennt mein Talent ein heil’ges
Opfer dir,
Ist mir in dir erschlossen eine
Thür,
So blüh’ ich schön auf allen
meinen Wegen.
Nicht wünsch’ ich je ein
Anderer zu sein,
Als du mich schufst; doch gern
wär’ ich umkleidet,
Von deiner Gnade Licht und
hehrer Würde.
Sie muß Vollendung der Natur
verleihn,
macht Alles schön, sie ordnet,
ebnet, scheidet,
Hebt selbst den Fehler der
Natur zur Zierde.
Musik aus ew’ger Kunst, um Gold
nicht feil,
Hat ganz mein Herz in süßer
Lust bezwungen,
Getränkt mein Innerstes und
sanft durchdrungen,
Gern säng’ ich euch zur Wonne
und zum Heil.
Allein ich seh’, ein rauhes,
grobes Seil
Ist durch die Harfe eurer Brust
geschlungen;
Sie ist verstimmt, viel Saiten
sind zersprungen,
Und mitzutönen ward ihr nicht
zu Theil.
O, macht sie frei, besaitet neu
und stimmt
Nach ew’gem Grundton sie; schön
in den Hallen
Des Gottes der Natur laßt sie
erschallen,
Der auch der Gott der Gnade.
Höher glimmt
Auch mir Gesangslust, wenn mein
Ohr vernimmt,
Wie himmelwärts auch eure Töne
wallen.
Dem Vöglein in dem dunlen
Blätterhaus,
Wo still es wohnet unter
Blüthenkronen,
So sanftgewiegt, wie Fürsten
nicht auf Thronen,
Geht nie das Lied der süßen
Kehle aus.
Bei Regen, Sturm und lautem
Blattgebraus
Hofft es geduckt und will sein
Stimmlein schonen;
Doch willst du ihm sein Lied
durch Störung lohnen,
Husch ist unmuthig es zum Busch
hinaus.
Und solch ein Vöglein ist des
menschen Seele;
Soll süß harmonisch dir ihr
Lied erklingen,
Dring’ störend nicht in ihren
Kreis hinein.
Dort ist ihr Recht in traulich
dunkler Höhle,
Du weißt nicht, wie ihr ist;
sie schlägt die Schwingen,
Trittst du zu nah’, und läßt
dich schnell allein.
Wohl möcht’ auch ich durch neue
Weis’ und Wendung,
Nach heut’ger Sitt’
erfindungsreich und schön,
In seltnen Bildern Würd’ und
Reiz erhöhn
Deß, den zu preisen einzig
meine Sendung.
Doch Hirn und Hand, wie fern
ach der Vollendung
Läßt ihre Schwachheit diese
Zeilen stehn!
Doch seht ihr scharf, mögt ihr
es schimmern sehn
Durch schwarzer Lettern
ungeschlachte Blendung.
Wohl seht ihr dann, daß
thöricht nicht die Liebe,
Die mich bewegt, entzückt,
erfüllt, begeistert,
nicht klein der Schönheit
Licht, für die ich glühe.
Billigt ihr mich und theilet
gleiche Triebe
Für ihn, der aller Herzen sich
bemeistert,
Sei’s, daß mein Witz nur
dürft’ge Funken sprühe.
„Klein ist der Fortschritt,
welchen macht das Gute
In dieser Welt, doch ist es
selbst nicht klein.
Mag drum getrost, wer guten
Willens, sein,
Wirkt er für’s Gute kühn mit
Gut und Blute.
O glaubt, nicht liegt in dem,
was groß, das Gute;
was herrlich scheint, ist oft
nur eben Schein!
Im Guten liegt das Große; nur
gemein
Ist andre Größe,“ sprich mit
festem Muthe.
Und still, geräuschlos, wie der
Sonne Lauf,
Allmälig reifend, was im
dunklen Schooße
Noch schläft, umhegt von der
Verborgenheit,
Thut segnend mild den Schatz
das Gute auf.
Wild prahlerisch mit mächt’gem
Sturmgetose
Wirkt Böses, das zerstörend zur
zerstreut.
Glückselig, wer nicht großen
Plan entwarf
Für dieses Leben; ach, nicht
viel zu holen
Ist in der Welt. Es brennen uns
die Sohlen
Zur Zukunft, daß sie unser Loos
entlarv’.
In Götterwonne strahlend,
treibt uns scharf
Die Gegenwart; doch heimlich
still verstohlen,
Wie in dem Laub die duft’gen
Nachtviolen,
Lebt wohl am besten, der nicht
viel bedarf.
es ras’t der Sturm um steile
Felsengipfel
Und schleudert fern zur Ebne Staub
und Kiesel
Und Ast und Baum, die Thürme
trifft der Blitz;
Das Veilchen lauscht dem
Rauschen heil’ger Wipfel
Im Frühlingssturm, es lauscht
dem Bachgeriesel,
Sein kleines Loos ist
reichlicher Besitz.
Weg eitler Sorgen nichtiges
Gewirre!
Nach außen horch, o Herz, nach
innen taub;
Schon schwingt sich auf’ eh’
noch entkeimt das Laub,
Der Lerche süß melodisches
Geschwirre.
O, schweif’ umher in lieblich
holder Irre
Und lausche rings. Dem lauen
West zum raub’
Gib jedes welke Blatt und allen
Staub
Des Winters und die freudenlose
Dürre.
Fast hätt’ ich, in die stille
Welt versenkt,
Drin geistig sich nur die Idee
entfaltet,
Vergessen, wie sie außen sich
gestaltet,
Wo sie als Leben sanft den
Wagen lenkt
Des weiten All, das ihre Kraft
durchwaltet,
Die, was da lebt, mit ihrer
Wonne tränkt.
Im leichten Wehen linder
Frühlingslüfte,
Die bunten Schwingen herrlich
ausgebreitet,
Der Schmetterling durch
Blumenbeete gleitet
Und trinkt den Balsam ihrer
süßen Düfte.
Aus tiefem Schlummer weckten
ihn die Lüfte,
Und durch ihn ward ein Zeichen
uns bereitet,
Wie Psyche ihrer Hülle einst
entgleitet,
Wenn sie umwogen
Paradiesesdüfte.
Dies helle Bild auf edel
ernstem Grunde
Erscheint als Bild vom
herrlichsten Gemüthe,
Wo Heiterkeit und tief Gefühl
im Bunde.
In dieser Deutung mag nur dem
es gleichen,
Der da gewinnt des heitern
Sinnes Blüthe
Im ew’gen Licht, im wahren
Himmelszeichen.
Vergebens send’ ich aus die
Bienenschwärme
In alle welt, mir Honig
einzutragen;
Fort summen sie, doch ihren
Dienst versagen
Die Kleinen, ihnen fehlt die
Frühlingswärme.
Betäubt vom waldsturm, von dem
Wasserlärme
Der Mühlenräder sie gar weit
sich wagen;
Von Regenguß und Schloßen wohl
erschlagen
Kehrt keine heim, daß drob mein
Herz sich härme.
Leer steht der Stock; und will denn
nichts verfangen,
Wie es sich müht, mein Sehnen
und mein Sinnen:
Du heil’ge Hand, reich’ deinen
Honig mir,
Mir deinen Honig, deine Milch;
empfangen
Soll, wer da fleht. Laß Trost
auch mich gewinnen,
Des Süßen Süßestes liegt ja bei
dir.
Und eilt mein Geist, den
Schmerzensstiche weckten,
Entschlossen nun der
Zufluchtsstätte zu,
Der innern Friedenslaube
sel’ger Ruh’,
Verfolgen doch ihn Schaaren von
Insecten.
O, nicht genug, daß sie dich
draußen neckten,
In Tagesgluth; du fliehest und
im Nu
Bist des Vampyrenschwarmes
Beute du,
Bunt gleißend summt’s um dich
von allen Secten.
Und trägst du stumm und öffnest
doch dein Herz
Der heiligen Betrachtung
goldnem Strahle,
Und zieht dich’s sanft in
licht’re, höh’re Zonen,
Schnell zerrt ein Faden wieder erdenwärts
Das arme Vöglein. Mühle braust
im Thale,
Und eng’ im Frohne mußt du
stets noch wohnen.
Die Ruhe ohne Thätigkeit ist
Tod,
Doch Thätigkeit, die ohne Ruh’,
ist Hölle.
Friedlich Bewegung an der
heim’schen Stelle,
Doch stürmisch außer ihr, voll
Angst und Noth.
Dem Nichts erglänzt im Werden
Morgenroth
Wahrhaften Sein. An sel’ger
Himmelsschwelle
Schon scheint das wesen
wärmend, licht und helle,
Das sich zur ew’gen Stütz’ und
Speise bot.
Doch im Verwerden droht die
Mitternacht
Voll finstrer Angst, wo
Höllenflüsse rauschen,
Qualvoll entfernt von ew’ger
Liebe Lichte.
O, woll’ und wirke, wo das Auge
lacht,
der heil’gen Liebe! flieh’ das
finstre Lauschen
Des Höllenaug’s, so jäh dich
macht zu nichte!
Die Todtenglocke hallt in
dumpen Schlägen
Weit durch die Stadt; am fernen
Hag, bereift
Von kühler Märznacht, leis ihr
Summen schweift
Und tritt dem Wandrer mahnend
ernst entgegen.
Gleich einem Bahrtuch,
Grau’ngewölke legen
Sich auf die Gegend, scharz und
grau bestreift;
Scharf kalter Frühwind durch
die Hecken pfeift
Und grause Oede herrscht auf
allen Wegen.
Verzweifelnd grinzt das Antlitz
mir entgegen
Runzlichter Zeit; ihr Nam’,
Vergänglichkeit,
Grau, unruhvoll ihr Blick, doch
weiß die Zähne.
O, wohnt im Erdenstaub kein
ew’ger Segen,
Erbt, was vergeht, nicht die
Unsterblichkeit,
Wer weiht fortan den Todten
eine Thräne?
„Was wäre Schein, wenn ihm das
Wesen fehlte,
Und Wesen, wär’ es, wenn es
nicht erschiene?“
So spricht mit eitel
selbstgefäll’ger Miene
Die Seele, die für wesen Schein
erwählte.
Weh’, wenn kein Kleinod sie im
Busen hehlte,
Wenn, daß die welt nur
huldigend ihr diene,
Sie ganz, zu zeigen, wie sie
blüh’ und grüne,
Sich ausgelegt, und, was sie
sei, erzählte!
Wenn keine Lust, kein Leid und
keine Thränen
Sie in dem Herzen heimlich
hielt verborgen,
Sie jede edle That zur Schau
gestellt.
Sie ist gemein und kennt kein
heil’ges Sehnen,
Nicht regt das Aug’ ihr
heimlich süße Sorgen,
Deß Blick’ in unsres Herzens
Tiefen fällt.
Viel sprachen ihrer dort mit
flinken Zungen,
Wie wasser rauschen am
verfluchten Ort
Der Wüst’, an deren Ufern rings
verdorrt
Die Rosen stehn, kein Kräutlein
vorgedrungen.
Und endlos ward die Mühle
umgeschwungen
Heillosen Weltsinns, knarrend
fort und fort;
Auf dorn’gen Felsen saß gequält
ich dort,
Wo mir kein Klang, Geklingel
nur erklungen.
Und sieh’, da sprach in des
Momentes Pause,
Des einzigen, ein Einziger ein
Wort,
Rein, wahr und tiefgekühlt, ein
goldner Strahl.
Und mit dem Wort war ich im
Vaterhause,
Ein Schlüssel war’s zum sel’gen
Heimathsport:
Fort riß mich’s aus der Andern
Jammerthal.
Oft suchet, müd’ des Schwankens
und des Schwebens,
Die Seele Klarheit für den
wirren Sinn,
Des Friedens rast, der Freude
Hochgewinn,
Doch finster bleibt’s und öd’
trotz allen Strebens.
Ein Blick empor zum Friedensheld:
vergebens
Nie richtet sich der Seele Aug’
auf ihn;
Tief innen ein Gemälde schnell
erschien
Klar aus der Gallerie des
eignen Lebens.
Und lockt es gleich mehr Reu-
als Freuden-Thränen
Aus des Betrachters
schmerzerfüllten Blicken,
Doch rühmt und dankt er
glücklich seinem Herrn,
Sieht er all’ seine Huld mit
Hochentzücken
In jenem Bild, und wie er nie
war fern;
Und mächtig zieht sein Herz ein
Liebessehnen.
Als Kind ging ich in einsam
stiller Gegend,
Herbstabend war’s und tief und
klar die Luft,
An Haselwäldchensaum in
Bergesschluft,
Das grüne Hügel schützten rings
umhegend.
Ein Lufthauch kam, nur leis die
Blätter regend,
Und tiefer drang ich in die
grüne Kluft;
Die Sonne sank, erquickend
süßer Duft
Des Herbsts umgab mich, tief mein
Herz bewegend.
Wie Gold erglüht’ der Blätter
Baldachin
Vom letzten Strahl der Sonne
hier und dort,
Im dunklen, duft’gen Hain,
rings herrschte Stille.
Da hört’ ich Glockenton
herüberziehn
Vom fernen Kirchlein, hallend
fort und fort:
„Hier ist es leer, dort obend
wohnt die Fülle.“
Am wald’gen Abhang aus dem
Felsenmunde
Hinab zu Thal die Silberwellen
gleiten;
Süß rauschen sie, als ob sie
sich erfreuten
Des neugefundnen Tags in weiter
Runde.
Am wald’gen Abhang tief im
Felsengrunde
Hallt dumpf und hohl, wie
ferner Glocken Läuten,
Der Wellen Klang bei Tag und
Nacht, sie deuten,
Das Leben hier noch nicht mit
Licht im Bunde.
Und also scheints in ernstern,
stillern Stunden
Aus meines Busens Tiefen oft zu
klagen,
Gleich jenem Quellgeseufz’, und
ach vergebens!
Wie Glocken tönt’s, doch mag
ich nicht erkunden,
Ob’s Grabgeläut, ob sie zum
Sturm anschlagen;
Des Todes Boten, ob des ew’gen
Lebens!
Ist Leben Lieb’ und Lieb’ nicht
ohn Verlangen,
So ist auch immer ohne Schmerz
das Leben;
So müssen alle Kreaturen
streben,
Im Trennungsschmerz, Verlornes
zu umfangen.
So schmachtend sehnen sie im
ew’gen Bangen,
Auf Erd’, im Wasser, die in
Lüsten schweben.
Ach Leben, Lieb’ ist innres
Schmerzerbeben,
Frei Unbekanntem selig
anzuhangen.
Schmerz ist die Wurzel alles
deines Strebens,
Genusses, Wollens auf der Bahn
des Lebens;
Es dir zu bergen, suchst du
stets vergebens.
O, welch ein Gut ist’s, das wir
all’ verlassen,
Das wir uns sehnen wieder zu
umfassen,
Das müd’ uns treibt und quält
bis zum Erblassen?
Oft sah ich Mondenlicht die
Welt verschönen,
Wald, Felder, Berg’ und Thal
von Fried’ umwunden,
In sel’ger Ruh’, als sei
anjetzt verschwunden
Der Kreaturen ringend banges
Sehnen;
Als möchten sie als
Friedensfürsten fröhnen
Dem stillen Mond, in dem sie Ruh’
gefunden,
Der sanft geheilt mit Balsam
Aller Wunden;
Doch kehrt der Tag, mein Wähnen
zu verhöhnen.
Und also wähnt’ ich oft im
Element
Des sel’gen Friedens, schon im
reinsten Lichte
Des Himmels, weil, ohn’ allen
Streit, die Seele,
Ach nur zu kurz! Was uns vom
Urquell trennt,
Der finstre Streit macht Alles
schnell zu nichte,
Und furchtbar tobt’s in dunkler
Kerkerhöhle.
Süß schläft der Knabe in des
Traumes Pforten,
Gesundheit, Jugend, sel’ger
Himmelsfriede
Auf Mund und Antlitz, wang’ und
Augenlide.
Die Blumen in den Händchen halb
verdorrten.
Ihm naht kein Mißgeschick, kein
finstres Morden;
Der engen Schaar voll
Menschenlieb’ und Güte
Umschwebt ihn schützend, sieht
die Jugendblüthe
Und rührt sein Herz mit
himmlischen Accorden.
Und Morgentraum durchzieht die
junge Seele,
Noch ungefurcht von finst’rer
Sorgen Spuren,
Umgaukelnd ihn gleich bunten
Schmetterlingen,
Herabgesandt aus Paradieses
Fluren,
Daß ew’ge Lust schon hier sich
ihm nicht hehle,
Daß wach er dorthin richte
seine Schwingen.
Auf einem Gottesacker früh im
Lenzen,
Wo weid’ und Flieder manches
Kreuz verhingen,
Sah eine Schaar von weißen
Schmetterlingen
Als Knab’ ich einst im
Sonnenscheine glänzen.
Die hingen auf den frischen
Rautenkränzen,
Die regten flatternd ihre
leichten Schwingen
Im kühlen West, die an der
Distel hingen:
Sie schienen Geister an des
Lebens Grenzen.
Erstandne Seelen schienen sie,
die neu
Zu Licht und Leid des
Erdentags, der Sonne
Zurückgekehrt, allein nicht
froh und glücklich.
Bin ich begraben, wo und wann
es sei,
So dacht’ ich, sei still ruhen
meine Wonne,
Bis Gott mir ruft; dann komm’
ich augenblicklich.
Ach Schmerz und Täuschung
liegen auf der Lauer
Im Hinterhalt, wo heitrer Tag
sich zeigt.
Du, wenn dein Glück sich
liebend niederbeugt,
Hab’ Acht, bald folgen dunkle
Regenschauer.
Schnell sinkt des Lebens Blume
welk in grauer
Verödung hin, der nichts an
Anmuth gleicht.
Doch wandelt oft der Herr, wenn
Alles schweigt,
In Geistesfreude tiefe
Seelentrauer.
Ja Seelenschmerz ist oft selbst
Geisteswonne.
Wo unter Dornen, pflückst du
oben Rosen,
Nacht in den Thälern, auf den
Gipfeln Tag;
Halb in der Nacht nur strahlt
dem Mond die Sonne,
So ew’ges Licht dem
Irdischhoffnungslosen,
Geht Welt zur Ruh, wird
Sternenhimmel wach.
Pflückst Blumen du, die süß und
reizend schienen,
Die duftend zart in allen
Farben glühn,
Und reicht sie lächelnd deiner
Freundin hin,
Und dankt sie sanft mit Augen
dir und Mienen;
Und siehst den Lenz du blühen
rings und grünen,
Fühlst tausendfachen Zauber
dich umziehn:
Freund, keine Blume glüht, es
sproßt kein Grün
Hienieden, denn ob Gräbern und
Ruinen.
Und selbst der Schöpfung weite
Herrlichkeit,
in Licht und Leben leuchtend
Gott zur Ehre,
Birgt des gefallnen Engels
Grabesspur.
Es sproßt die lichte Lust aus
dunklem Leid,
Der Tag hat Schatten, Freude
eine Zähre,
Und Winter folgt dem Lenz auf
jeder Flur.
`S ist tiefste Nacht; matt
flimmt der Ampel Schein,
Auch neu gefüllt wird sie so
lang nicht brennen,
Bis Sorg’ und Leid vom meinem
Haupt sich trennen,
Die nächtlich sich bei mir zu
weilen freun.
An meinem Herzen nagt der
Sehnsucht Pein
Nach seiner Näh’, den keine
Namen nennen,
Den liebentflammt doch unsre
Herzen kennen;
Und ach noch ist’s nicht dieser
Schmerz allein!
Steht mir zur Rechten Sehnsucht
hingeschmiegt
Auf milder Hoffnung Arm, die
sanften Blicks
Mir süße Sorge nach der Heimath
regt,
Steht mir zur Linken, die sich
nimmer fügt,
Wie ich auch ring’, Erinn’rung
vor’gen Glücks,
Die stets dem Herzen neue
Wunden schlägt.
O Weltverdruß, o heil’ge
Lebensöde,
Wie mächtig habt ihr rings den
Tag umschattet!
Natur ist sprachlos, ohne Klang
und Rede,
Selbst Freundeswort, das Herz
zum Tod ermattet.
Das Glück, das ihr mir einst zu
bringen hattet,
Ihr Tag’ und Stunden, scheint
erschöpft und jede
Hoffnung umsonst; mit trüben
Qualen gattet
Sich jede Aussicht, bringend
neue Fehde.
O du, der ob des Herzens
Mitternächten
In ew’gem Glanztag wohnt,
sieh’, dürr und trocken
Ist nun mein Herz und
leichtlich anzuzünden!
Send’ einen Blitz von deiner
heil’gen Rechten
Der Lieb’ in’s Herze, dessen
Pulse stocken,
Laß hochentflammt es deine Huld
verkünden.
Weh uns, die Aerndte! Sommer
ist vorüber,
Stumm weit das Feld, der Vögel
Lieder starben,
Kalt steht der Hain in bunten
Todesfarben,
Durch Wolken blickt die Sonne trüb’
und trüber!
Weh uns, erschallt’s hinüber
und herüber,
Es kam der Tag, wir haben keine
Garben,
Leer sinkt die Hand, nichts
ist, was wir erwarben,
Weh, weh uns, faule Zög’rer und
Verschieber!
Verkauft uns Trauben, Oel und
volle Aehren!
Sind Schönheit, Stärke, Ruhm
uns doch geblieben
Und Geld und Gut, o bei der
Ewigkeit!
Weh euch, nichts Ird’sches
steht annoch in Ehen,
Hier gilt nur Glauben,
Schaffen, Hoffen, Lieben
Und fester Will’, ausdauernd in
der Zeit.
Und wenn die Nebel enger sich
verdichten,
Wenn Todesnacht stets grauser
uns umdroht,
Uns Zweifel ängsten, die kein
Machtgebot
Von ird’schen Lippen stark
genug zu schlichten;
Wenn wir vergebens Rah’ und
Steuer richten
Auf sturmempörtem Ocean, kein
Boot
Der Rettung naht, Untiefen rings
das Loth
Verkündet, die nur Untergang
berichten;
Besteigt, ein finstrer König,
seinen Thron
Selbst das Gewissen, will das
Herz die Reue
Und Todesfurcht die Seele wild
verklagen:
O, auf dem Schifflein weilt der
Menschensohn
Nicht Grenzen kennt sein Lieben,
seine Treue,
Vertrau ihm nur, so darfst du
nicht verzagen.
O denke mein am Tag der bittern
Schmach,
Der kalten Oed’ und todesbangen
Dürre,
Wenn fern mir deine Gnad’ im
Weltgewirre
Sich nun entzog und fast mein
Herz erlag!
O schwärzer, als die Nacht, ist
jener Tag,
Wenn, Irrlicht gleich ob
Süpfen, nur Geflirre
Des Wahns um uns voll
Schmerzen, zag und irre
Das Herz erbebt: Herr, sei dann
für uns wach!
Wie in des Sturmes tiefster
Mitternacht
Noch der Pilot, wenn jeder
Stern verschwunden,
Mit fester Hand des Schiffes
Steuer lenkt;
So du das Herz, bis jungen
Frühroths Pracht,
Dein Licht, ersteht, uns Gnade
hält umwunden,
Die Tausendfach Verlornes
wiederschenkt.